Es war einmal...

Es war einmal… am Eidgenössischen Turnfest in Aarau!

Was taten die Turner früher? Welche Probleme stellten sich ihnen und konnten sie auch schon so Feiern wie die Turner heute? Siehe selbst, in unserem Bericht über das erste Eidgenössische Turnfest des TSV Röschenz! 

Wie ihr vielleicht wisst, fand das ETF 2019 in Aarau statt.
Für den TSV Röschenz war dies nicht das erste Eidgenössische Turnfest in Aara. 1932 war die Röschenzer Turnerschar schon einmal dort!

Hier den Originalbericht vom Eidgenössischen Turnfest 1932 in Aarau:

„Eines schönen Morgens 5 Uhr, sammelte sich unsere tapfere Turnerschar auf dem Dorfplatz, denn 5.15 Uhr war Abmarsch nach Station Laufen. Der 15. Juli war herangerückt, somit auch der Kampftag an welchem sich unsere kleine Schar mit jedem schweiz. Turnverein zu messen getraute. Für jeden von uns war es mehr oder weniger ein grosses Erlebnis, denn keiner von uns hatte schon an einem solchen Feste teilgenommen, da sozusagen noch kein Verein unseres Dorfes ein gleiches Fest besuchte. In Basel angelangt, erhielten wir schon einigermassen eine Ansicht von der Grösse des Festes. Da war ein mächtiger Volksandrang von Vereinen und solchen die sie an den Bahnhof begleiteten. Unser Oberturner [Josef Karrer] legte nun jedem an’s Herz, schön beieinander zu bleiben, damit ja keiner unserer Kostbaren verloren ginge. In dieser Beziehung kam ihm aber gleich die S.B.B zu Hilfe, welche einen Extrazug arrangiert hatte mit Einteilung der Abteile. Somit erhielt jeder Verein seinen Abteil, oder einen ganzen Wagen wenn es ihn benötigte, mit der Aufschrift Turnverein… .

In Aarau angelangt, wussten wir zuerst gar nicht wo aus. Die Aarauer hatten uns sehr wahrscheinlich vergessen, denn wir erhielten keine Festkarten, keine Quartiereinteilung und nichts. Dies war aber bald in Ordnung, denn Aarau war sehr gut organisiert. Einquartiert wurden wir im Hotel Kreuz in Suhr, und die Festkarten konnten wir auf dem Festplatz mit je 3 Bankettbon lösen, welche pro Mann 22.50 machte, wozu jeder verpflichtet war. Da unsere Arbeit schon nachmittags 1 Uhr begann, konnten wir uns in der Turnhalle, das heisst im Bad derselben umziehen, welches fein geräumig eingerichtet war. Darauf begaben wir uns nach dem Festplatze, wo wir das Nötigste noch in Ordnung brachten. Sämtliche Übungen wurden noch einmal durchgenommen, um sie nachher vor dem scharfen kritischen Auge des Kampfrichters vorzuführen.

Die 1 Übung bestand aus 2 Barrenübungen, die zweite aus Stützsprung und 80m Stafette und die dritte Übung aus einer Freiübung mit 2 Teilen. Die Übungen verliefen nach unserem Ermessen nicht schlecht, sodass wir in uns schon ein wenig Hoffnung hegten.

Mit frohem Herzen begaben wir uns nach Suhr, um unser Kantonnement [Gruppenunterkunft] zu besichtigen und davon Besitz zu nehmen. Nachdem dort eingenommenen Nachtessen bekümmerte sich ja selbstverständlich niemand nach den Strohsäcken, nicht einmal unsere Rangschwinger Leo und Chlinä (Stettler) die am folgenden Morgen ihre Einzelarbeit beginnen mussten. Das Hotel Kreuz nannte eine feine moderne Kegelbahn sein Eigen, worauf wir uns bis um die 12 Stunde gemütlich taten. Dass statt Meltinger [Wasser aus Meltingen] Bier und Wein getrunken wurde, ist ja nicht fraglich, denn man brauchte nur die Charakterfiguren zu betrachten, worauf man gleich im Klaren war.

Morgens um 4 Uhr als sich unsere Schwinger erhoben, denn um 5 Uhr mussten sie mit ihrer Arbeit beginnen, kehrten unsere 2 Träger Alfred und Emil, jeder mit einem zünftigen Affen [Chläpper] und in Begleitung eines Hundes, den sie irgendwo einer Bude abgestaubt hatten, von ihrem nächtlichen Raubzuge nach Suhr zurück, wo sie selbstverständlich ihren Höllenspektakel losliessen.

Sonntagmorgen um 8 Uhr begaben wir uns wieder nach Aarau, natürlich ohne die 2 Vagabunden, denn diese lagen noch im tiefen Schlaf. Da wir den Festführer erst bei unserer Ankunft in Aarau erhielten, bemerkten wir nicht, dass Sonntagmorgens 9 Uhr jeder Verein mit Fahne und wenigstens 3 Mitgliedern zur Abholung der Eidgenössischen Fahne vertreten sein musste, ansonsten eine gewisse Punktzahl abgezogen würde. Glücklicherweise konnten wir diese Angelegenheit noch schlichten, sodass der Fall für uns ohne Schaden verlief. Nun galt es zu sehen, was unsere zwei Einzelturner Leo und Stettler machten. Vorzeitig brachte aber unser Oberturner die Kunde, dass Leo leicht verunglückt und nicht mehr weiter arbeitet und Walter gar nicht angetreten sei. Somit war das Programm unserer Einzelturner ziemlich früh beendet, denn das Kegelschieben und der gute Wein hatte sie halt doch ein wenig zu viel in Anspruch genommen. Den ganzen Tag hatten wir nun Gelegenheit, die Arbeit anderer Sektionen, sowie die des National und des Leichtathletik, vor allem aber des Kunstturnens zu bewundern. Wir zerstreuten uns auf dem Turnplatze, dass wir einander erst am Abend in Suhr wieder fanden. Diese Nacht verlief ein wenig ruhiger als die vorhergehende, denn das viele Erlebte und Gesehene schloss uns die müden Augen. Zu erwähnen ist noch, dass sich an diesem Tage der Geburtstag des Otto Halbeisen zum 19. Mal jährte, wofür er jedem Kameraden ein Grosses bezahlte, nochmals unsere beste Anerkennung.

Montagmorgen war angerückt, ein eigenartiges Gefühl bedrückte uns, ein jeder war unruhig, auch hatte die Fröhlichkeit nachgelassen. Der Grund war leicht zu erraten, denn unser Oberturner erhielt morgens 10 Uhr den Bon, worauf angegeben war, ob der Verein mit Lorbeer I-II Klasse, oder ohne Kranz abziehen musste. Als wir auf dem Festplatz angelangten, fanden wir unseren Oberturner nirgends, was mir schon spanisch vorkam. Zuletzt hetzten wir nach dem abgemachten Treffplatz zurück und wirklich dort stand er unter seinen Jüngern, welche aber nicht gerade erfreuliche Mienen machten. Bei ihnen angelangt reichte mir Oberturner Sepp den Bon. Mir wurde Schwarz vor den Augen, denn ich sah nur noch die 2 Worte „ohne Kranz.“ Aber eines besseren besinnend betrachtete ich den Zettel nochmals, und sogleich fiel mir auf, dass er ihn selbst geschrieben hatte. Nun verlangten wir energisch den echten Bon mit gedruckter Schrift. Und wirklich deutlich stand darauf „Turnverein Röschenz, Lorbeeren I Klasse.“ Darauf konnte man auch bemerken: „Kein Auge hat es gesehen und kein Ohr gehört“, was für ein Freudengeheul wir zusammen losliessen. Nun war die alte Stimmung wieder zurückgekehrt, ein jeder tat nach seinen Gutfinden.

Nachmittags um 3 Uhr, fanden die allgemeinen Übungen statt welche vom eidgenössischen Oberturner Schauffelberger kommandiert wurden. Während den Pausen derselben war die Kranzverteilung, wobei der hohe Bundesrat vertreten war. Ein lehrreiches Wort richtete, an alle Turner und Versammelten, unser Bundespräsident Guiseppe Motta, wofür er einen mächtigen Applaus erntete. Ein erbauendes Bild für uns Turner boten die 1000 Schweizerturnerbanner beim Fahnenmarsch, der jedem in bester Erinnerung bleiben wird.

Nach dem eben erwähnten war die Zeit so weit herangerückt, dass wir uns nach dem Bahnhofe aufmachen mussten, um Aarau für einstweilen Adieu zu sagen. In Laufen angelangt, wurden wir von Ehrendamen, Schützengesellschaft und Männerchor festlich empfangen, auch fehlten Vereinstambouren nicht.

Beim Umzug durch unser Dörfchen, musste unsere 1 Meter 50 Zentimeter hohe Rübe wieder voran, die wir vom Rüebliland als Andenken mitgebracht hatten und bei vielen Leuten etlichen Humor geweckt hat. In der Wirtschaft zur Sonne wurde Halt gemacht und der Durst aufs neue gestillt, wozu uns die Gemeinde Röschenz, für den schönen Erfolg, eine Kiste Bier bezahlte. Nun wurde getanzt, gesungen und auch Reden geschwungen, wie es so zugeht wenn Wein und Bier die Kehle erfrischen, bis Mitternacht heranrückte und dem Gelage ein Ende bereitete. Alle Freude, alles Erlebte und Errungene verdanken wir so zu sagen allein unserem werten Oberturner Josef Karrer, der keine Mühe scheute, uns zu diesem Ziele zu verhelfen.

Er lebe hoch!

Der Sekretär: Theodor Schnell“

Die Erste Seite des Berichts

Wie ihr seht, wussten die Turner schon damals, wie man an einem Turnfest feiert! Dass man gleich am 1. Eidgenössischen an dem man teilnimmt einen Kranz holt, hätten sie wahrscheinlich selbst nicht gedacht.

Im Text steht, dass sie pro Mann 22.50 Festgeld zahlen mussten. Diese Zahl wurde nachträglich ins Buch eingefügt und ist wahrscheinlich falsch. Der damalige durchschnittliche Stundenlohn betrug lediglich 145 Rp.

Ich hoffe ihr hattet beim Lesen dieses schon bald 100 Jahre alten Berichts genau so viel Freude wie ich! Für eine Rückmeldung wäre ich dankbar!! (Kontaktformular auf der Homepage)